Wo ist das nördlichste Weinbaugebiet?

Wo ist das nördlichste Weinbaugebiet?

Weine aus dem Norden sind so eine Sache. Immer wieder stoßen wir als sächsische Winzer auf überraschte Weinliebhaber, die sächsische Weine probieren und nicht die hervorragende Qualität erwartet hätten. Doch wer denkt, Sachsen wäre ein besonders nördliches Weingebiet, hat vermutlich noch nie von friesischem Sekt, norwegischem Solaris oder sibirischem Rotwein gehört. Lest unbedingt weiter, um mehr über die Weine des Nordens zu erfahren!


Wein aus dem Norden – ein Novum?

Globale Weinproduktion, wer produziert den meisten Wein?

Abbildung 1: Auch in nordischen Ländern wird Wein angebaut. Doch wo liegt das nördlichste Weingut der Welt?

Im Zuge des Klimawandels und der Zucht immer widerstandsfähiger Pflanzen kann Wein auch in kalten Gebieten angebaut werden. Welche Weine aus dem Norden es gibt und welche Unterschiede sie zu den klassischen Weinsorten aufweisen, möchten wir in diesem Artikel beleuchten. 

 

Spätestens seit Beginn der Zivilisationsgeschichte vor etwa 9.000 bis 10.000 Jahren wird Wein getrunken. Dabei variieren die Weinarten und -sorten je nach Anbaugebiet. So wurde im mediterranen Raum vorrangig Traubenwein angebaut, da schon in der Antike die klimatischen Bedingungen dafür vorherrschten. Im heutigen Armenien,  Iran, Irak, der Türkei und in Georgien wurde nachweislich der erste Traubenwein produziert. Bis ins frühe Mittelalter blieben die wichtigsten Erzeugerländer im Kaukasus und in Nordafrika. Durch den Export gelangte er in ferne Länder, so etwa von Iran nach Indien oder aus dem Römischen Reich in heutige Weinbaunationen wie Frankreich oder Deutschland aber auch bis in den hohen Norden.

 

Allerdings konnte der Wein aus Trauben in kalten Gebieten nicht angebaut werden. In Nordeuropa endete somit die natürliche Weinbauzone, und die Menschen begnügten sich mit anderen alkoholischen Getränken, die sich aus regionaler Herstellung gewinnen ließen. Gerstensaft konnte problemlos auch in kalten Gebieten zu Bier verarbeitet werden, aber auch Honig ergab Dank seiner robusten Eigenschaften eine zuverlässige Basis für Wein, Met genannt. Zudem wurden immer auch Früchte und sogar Gemüse zu alkoholischen Getränken verarbeitet, etwa Äpfel zu Cidre oder rote Beete zu alkoholischem Kwass und Borschtsch.


Somit ist Wein aus dem Norden an und für sich nichts Neues. Doch seit wenigen Jahrzehnten erobern Weinreben auch Gebiete in kalten Temperaturzonen. Diese Entwicklung kommt dem Trend zu mehr regionalem Wein entgegen, denn schließlich muss man heute keine Weine mehr importieren, wenn hervorragende Trauben vor der eigenen Haustür wachsen. Doch wo befindet sich das nördlichste Weinbaugebiet, und warum entstehen hier zum ersten Mal in der Weinbaugeschichte großartige Weinsorten?


Sekt aus England, Weißwein aus Sibirien: Weinproduzenten im hohen Norden

Mancher Wein entsteht im Norden zum ersten Mal, an vielen Stellen aber kommt er einfach nur wieder zurück: Von der römischen Besiedlung bis zum 14. Jahrhundert war etwa  der Süden Großbritanniens ein ergiebiges Anbaugebiet für Wein. Mit der kleinen Eiszeit zogen sich die Trauben zurück, sodass Britannien, Skandinavien und die nördlichen Teile Mitteleuropas ihre Weinkultur verloren. Doch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts drängt der Wein zurück in den Norden. So wird seit den 1970er Jahren in Großbritannien Wein angebaut, vor allem widerstandsfähige Neuzüchtungen gedeihen hier und liefern herrliche Schaumweine. 

Wein aus Norwegen, Oslo

Abbildung 2: Nordwestlich von Oslo gelegen, findet sich das Lerkerkaasa Weingut, laut den Betreibern das nördlichste Weingut der Welt. Quelle: https://www.visitnorway.de/listings/lerkekaasa-vineyard/142406/

 

In Deutschland floriert derweil das nordöstlichste Anbaugebiet des Landes. Denn sächsischer Wein, der von innovativen Winzern und emsigen Winzergenossenschaften von Pirna bis nach Meißen geschaffen wird, gewinnt seit Jahren an Bedeutung. Zwar ist der Weinbau in Sachsen schon seit über tausend Jahren bezeugt. Doch erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts haben die sorgsam ausgewählten Trauben eine Qualität erreicht, die mit internationalen Spitzenweinen konkurrieren kann. Zwar produziert Sachsen auf seinen 500 ha nur etwa ein Prozent aller deutschen Weine, kann aber mit seinen Spezialitäten wie dem frischen Goldriesling, dem fruchtsüßen Schieler oder herrlichen Traminer auf sich aufmerksam machen. 


Der Wein erobert indessen auch nördlich von diesen beiden traditionsreichen Anbaugebieten die Welt. Solaris aus Estland, Pinot Noir aus Sibirien und Merlot aus Nordkanada sind durchaus ansprechende und individuelle Weine. Das laut eigener Auskunft nördlichste Weingut der Welt ist das Lerkerkaasa Weingut in Zentralnorwegen. 

 

Hier bauen die Besitzer Lill und Odd klassische Weine aus der deutschen Solaris-, der russischen Hasansky sladki und aus weiteren jungen Rebsorten an. Nicht selten sind diese nordischen Weine teuer und geschmacklich ausbaufähig. Doch allein der Umstand, dass hochwertige Rebsorten in diesen nordischen Regionen gedeihen, ist für die Weinwelt eine große Bereicherung.


Klimawandel und technologische Finesse: Der Norden profitiert


In erster Linie ist es der Klimawandel, der diesen kühlen Regionen die Möglichkeit zum Weinbau verleiht. Mildere Temperaturen, weniger Frost und mehr Sonne versprechen ein gesundes Wachstum. Indessen wird vermeldet, dass Italiens Weinbau 12% Produktionsvolumen eingebüßt hat. Extremwetter führt dazu, dass viele Ernten ausfallen oder nur deutlich geringere Traubenmengen im Vergleich zum Vorjahr abwerfen. Somit wurde Frankreich im Jahr 2023 zum weltweit größten Weinproduzenten, der aber auch zunehmend von Frost und Rebkrankheiten bedroht wird. Der Norden ist letztlich ein großer Profiteur des Klimawandels, der die traditionellen Weinanbaugebiete der Welt zunehmend kämpfen müssen, um ihre Produktionsstandards aufrechtzuerhalten. 


Doch neben dieser unschönen Entwicklung ist es auch die technologische Finesse, die den Weinanbau auf der ganzen Welt möglich und lukrativ macht. Kalamitäten wie das Wetter, die Reblaus und der Mehltau haben dem Wein stets zugesetzt, sodass die Ernte in vormodernen Zeiten immer auch eine Frage des Glücks gewesen ist. Kein Wunder, dass die Winzer Götter wie Dionysos oder Gilgamesh anbeteten, um die Wahrscheinlichkeit einer ertragreichen Ernte zu steigern. Doch im 19. Jahrhundert konnte durch die Entwicklung moderner Dünger und Pflanzenschutzmittel die Ertragssicherheit von Weinen maßgeblich gesteigert werden. Auch die Experimentierfreude bei Neuzüchtungen führte dazu, dass widerstandsfähige Rebsorten entwickelt werden konnten: Etwa der elsässische Goldriesling, der spät austreibt und früh zu ernten ist, gehört dazu und wird heute vornehmlich in Sachsen angebaut. 


Die größten Exportschlager mögen aus Frankreich kommen: Cabernet Sauvignon, Syrah und Chardonnay etwa haben die ganze Welt für sich erobert und werden sogar in China und Australien angebaut. Doch jedes Land, in dem heute Wein angebaut wird, setzt auf langjährige Forschung, die eine stete Weiterentwicklung der verschiedenen Rebsorten ermöglicht. So ist es wahrscheinlich, dass auch bei einer Normalisierung des Klimas Weine bis ins hohe Norwegen angebaut werden. Im Idealfall steht es dann jedem Menschen frei, nicht nur importierte, sondern auch regionale Weine zu genießen. Ob sich genügend Weingenießer für die vielen neuen Sorten finden werden, ist eine andere Frage.

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